Vorstadtbauern um 1920

CAMPENDONKS VERBINDUNG ZU PENZBERG
EIN MALER ALS HISTORISCHER ZEITZEUGE

O´`bayern – Station Penzberg lautet seit Oktober 1911 die Postanschrift Heinrich Campendonks, nachdem er einer Einladung Franz Marcs nach Bayern gefolgt ist. Über ihn findet er Anschluss an die Künstler der heute weltbekannten Künstlergruppe Blauer Reiter und wird ihr jüngstes Mitglied. Für Penzberg ist er mit einigen seiner Werke zu einem wichtigen Zeitzeugen der damaligen Bergwerksgeschichte der Stadt geworden.

Auf der Suche nach eigenen Motiven für seine Bilder entdeckt Campendonk im Stadtbild Penzbergs die eigentümliche Architektur der abstrakt anmutenden Bergwerkshäuser mit ihrer Reihung entlang der Straßen der sog. „Kolonie“. Auch die auffallenden Bergwerkseinrichtungen wie die Schornsteine und die Seilbahn der Abraumhalde finden sein Interesse und werden so wie die Häuser und die Wohn- und Lebensverhältnisse der armen Bergleute und ihrer Familien zu Motiven in verschiedenen seiner Werke, wie in dem Ölbild Vorstadtbauern von 1920 (Museum of Modern Art, Mijagi Japan).

Am Ende des Ersten Weltkriegs engagiert sich Campendonk in München für die Räterepublik. Wieder findet er in der Bergarbeiterstadt Penzberg Bildmotive, die die Notwendigkeit der politischen und sozialen Veränderung widerspiegeln. Über die Verhältnisse in Penzberg ist er gut informiert, da er mit dem Schulrektor und Penzberger Stadtrat Albert Winkler befreundet ist.

Kolonie Penzberg mit Mädchenschule um 1910

Als politisch „links“ orientierte Arbeiterstadt erhält Penzberg 1919 von der revolutionären Regierung in München das Stadtrecht verliehen. Den Entwurf des Stadtwappens hat Stadtrat Albert Winkler eingereicht, der mit Campendonk befreundet war. Die Wappenmotive, Lamm und Rautenmuster sowie die Stadtfarben „rot und schwarz“ tauchen bereits 1918 auf dem von Campendonk gemalten Ölbild Die Armen (Kaiser-Wilhelm-Museum, Krefeld) auf.

Ein 1918 entstandenes Aquarell, bekannt unter dem Titel Penzberger Reiter (Städtisches Museum Abteiberg, Mönchengladbach), lässt sich ebenfalls eindeutig mit Penzberg verorten. Ein blauer Reiter auf blauem Pferd, umgeben von verschiedenen Bergwerksmotiven, zeigt was aus dem Blauen Reiter von 1912 geworden ist: Der strahlende hl. Georg hoch zu Ross, der den Drachen besiegt – Sinnbild der Künstlergruppe um Franz Marc und Wassily Kandinsky – wird jetzt zum geschlagenen Reiter mit hängenden Schultern auf einem Pferd mit gesenktem Kopf (Gisela Geiger).

Das früher im Besitz Paul Klees befindliche Aquarell Barbarazeche von 1919 (Privatbesitz) zeigt Bergwerksanlagen in den ländlichen Raum gestellt. Eine Zeche gleichen Namens hat es in Penzberg nicht gegeben, doch ist die hl. Barbara die Schutzpatronin der Bergleute. Die kleine Lokomotive mit dem mächtigen Schornstein auf diesem Bild fuhr tatsächlich für die innerbetrieblichen Transporte des Bergwerks durch die Stadt. Im Volksmund Bockerl genannt, steht sie heute als Denkmal unweit der Stadtpfarrkirche Christkönig.

Die Armen

Die Armen, 1918

Penzberger Reiter

Der Penzberger Reiter, 1918

Barbara Zeche

Barbarazeche, 1919

In der Kirche selbst können zwei Glasfenster von Campendonk besichtigt werden. Neben dem sog. Jesaiafenster über der Orgelempore, einem Originalprobestück Campendonks, verdient das Fenster Leidenswerkzeuge, das sog. Passionsfenster, in der Sakramentskapelle besondere Beachtung. Es ist die Zweitfassung eines Glasfensters mit dem Campendonk im holländischen Pavillon auf der Weltausstellung 1937 in Paris vertreten war. Der Mittelteil dieses Symbolfensters zur Leidensgeschichte Christi (Arma Christi) zeigt deutlich Motive, die auf die Bergwerkstadt Penzberg verweisen, allem voran eine typische Penzberger Grubenlampe, im Glasfenster gestaltet als ewiges Licht.


Leidenswerkzeuge (Passionsfenster), 1937

In Penzberg wurden seit 2002 mehrere repräsentative, international gewürdigte Ausstellungen mit Werken von Heinrich Campendonk präsentiert und damit seine Mitgliedschaft in der Künstlergruppe Blauer Reiter sowie sein Bezug zur Penzberger Stadtgeschichte gewürdigt.

2010 erwirbt ein Sammler 89 Werke aus dem Nachlass und stellt das Konvolut der Stadt Penzberg als Dauerleihgabe zur Verfügung. Zur Eröffnung des »Museum Penzberg – Sammlung Campendonk« erhält Penzberg weitere 200 Arbeiten aus verschiedenen Lebensphasen des Künstlers. Mit den eigenen Werken der Stadt Penzberg beherbergt das Museum nun die weltweit größte Sammlung zu Heinrich Campendonk.
Besonderer Schwerpunkt des Hauses sind zahlreiche farbenprächtige und tiefgründige Hinterglasbilder von Campendonk, die nach einem umfassenden dreijährigen Forschungsprojekt in der Ausstellung dauerhaft gezeigt werden. Wie kein anderer Künstler des Blauen Reiters ist Campendonk dieser besonderen Malweise bayerischer Volkskunst über annähernd 40 Jahre in seinem Schaffen treu geblieben.

 

© Freundeskreis Heinrich Campendonk e.V.