Mann und Maske

HEINRICH CAMPENDONK – LEBEN UND WERK

ANFÄNGE IM RHEINLAND
Heinrich Campendonk wird 1889 in Krefeld geboren. An der dortigen Handwerker- und Kunstgewerbeschule absolviert er seine künstlerische Ausbildung. Der Niederländer Johan Thorn Prikker nimmt als Lehrer maßgeblich Einfluss auf seine Ausbildung, die seitens des Elternhauses nur mäßig unterstützt wird.
1908 muss er auf Wunsch des Vaters die Schule verlassen, behält aber die künstlerische Laufbahn bei und knüpft ab 1910, auf Vermittlung von August Macke, Kontakte nach München zur losen Künstlervereinigung Blauer Reiter um Wassily Kandinsky und Franz Marc.

JAHRE IN OBERBAYERN
Im Oktober 1911 reist Campendonk auf Einladung von Franz Marc und August Macke aus dem Rheinland nach Oberbayern. Biographisch ist dies der Beginn eines rund 10-jährigen Aufenthaltes in der Nähe der damaligen Bergarbeiterstadt Penzberg. Der junge Maler findet Anschluss an die Künstler, die heute als Begründer der Gruppe Blauer Reiter gelten. Hier in Oberbayern heiratet er 1913 Adda Deichmann. 1915 werden sein Sohn Herbert und 1918 seine Tochter Gerda geboren.

Portraet HC Sturm 1916

Porträt Campendonk, 1916

Der Künstler 1951

Der Künstler (Ölbild), 1951

Campendonk bei der Arbeit, um 1932

Als jüngstes Mitglied der Gruppe ist Campendonk 1911 an der ersten Ausstellung des Blauen Reiters in der Galerie Thannhauser in München mit den Werken Springendes Pferd, Frau und Tier und einem Hinterglasbild vertreten. Weitere Ausstellungsbeteiligungen folgen. Sammler wie Bernhard Koehler interessieren sich für seine Arbeiten. Galerien zeigen und verkaufen seine Bilder, was ihm materielle Sicherheit schafft.

Die Teilnahme 1913 an den Ausstellungen Rheinische Expressionisten in Bonn und am Ersten Deutschen Herbstsalon in Herwarth Waldens Galerie DER STURM in Berlin, eine der maßgeblichen Ausstellungen zur Klassischen Moderne vor dem 1. Weltkrieg, sprechen für die wachsende Anerkennung seiner Werke.

In seiner künstlerischen Entwicklung legt Campendonk in diesen Jahren den Grundstein für ein Werk, das heute international Anerkennung findet. Es entstehen grundlegende Arbeiten in allen Techniken – Ölbilder verschiedener Größe, lichte Aquarelle, eigenständige Tuschpinselzeichnungen, Hinterglas- und Holzschnittarbeiten, mit denen Form und Farbe, Fülle und Reduktion erprobt und für sich selbst formuliert werden.
In Oberbayern entwickelt er die ihm eigene Bildersprache und seine ihm eigene tiefgründige, rätselhafte Bilderwelt, die der Betrachter als Entwicklungen, Brüche und Kontinuitäten in vielen seiner Werke entdecken kann.

PENZBERGS KÜNSTLERISCHER ZEITZEUGE
Nicht nur gegen Ende des 1. Weltkrieges malt Heinrich Campendonk die Penzberger Bilder. Werke, die mit ihren Motiven immer wieder Bezug auf die Geschichte dieser Stadt im bayerischen Voralpenland nehmen. Der Künstler erlebt Penzberg als junge Bergarbeiterstadt, die seit etwa 1850 als Ansiedlung der zugewanderten Bergleute und ihrer Familien entsteht. Spezifische Häuser- und Dreiecksformen, diagonal gesetzte Bildelemente, die Seilbahn der Berghalde oder symbolhafte Verweise auf den Kohleabbau durch Darstellung und Farbwahl (wie rot/ schwarz für Feuer/ Kohle) verweisen auf das damalige Erscheinungsbild der Stadt inmitten einer bäuerlich geprägten Umgebung. Blicke in die Wirtshäuser und Wohnstuben, künstlerisch in Öl, Aquarell oder Holzschnitt umgesetzt, halten für uns bis heute Momente aus dem armen Bergarbeiterleben fest.

Roter Akt mit Tieren, 1924

ZURÜCK IN KREFELD UND DÜSSELDORF
Ende 1922 kehrt Campendonk ins Rheinland zurück. Er folgt zuerst einem Ruf an die Kunstgewerbeschule in Essen. 1926 wird er Nachfolger von Johan Thorn Prikker an der Kunstakademie in Düsseldorf als Leiter der Klasse für Monumentalmalerei.
Sein Werk in den folgenden Jahren ist hauptsächlich geprägt von großformatigen Arbeiten. Es entstehen Bühnenbilder und Gobelinentwürfe, Wandmalereien, wie das Spielezimmer der Villa Merländer in Krefeld (heute NS-Dokumentationsstelle) und in der Glasmalerei Fensterentwürfe für Kirchen und öffentliche Räume in Hamburg, Bonn, Vochem und Düsseldorf.
Die seit 1921 bestehenden Kontakte nach Amerika, hauptsächlich über die Kunstfreundin Katherine Sophie Dreier, ermöglichen 1925 eine erste Einzelausstellung mit 34 Gemälden in der Daniel Gallery, New York, 1931 eine weitere im Museum of Modern Art.

1929 begegnet er der flämischen Künstlerin Edith van Leckwyck, die seine neue Lebensgefährtin wird. Die Scheidung von Adelheid Campendonk-Deichmann erfolgt 1932. Der Kontakt zur Familie und den Kindern bleibt zeitlebens erhalten. Sein Sohn Herbert Campendonk ist später maßgeblich mit an der Wiederentdeckung Heinrich Campendonks für die Nachwelt beteiligt.

NATIONALSOZIALISTISCHES REGIME IN DEUTSCHLAND 
UND EMIGRATION NACH HOLLAND
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten wird Campendonk 1933 von seinem Amt an der Kunstakademie zwangsbeurlaubt, schließlich in den Zwangsruhestand versetzt. Er emigriert nach Antwerpen zu Edith van Leckwyck, dann weiter nach Amsterdam, wo er 1935 auf den Lehrstuhl für Monumentale en Versierende Schilderkunst an der Rijksakademie berufen wird.

1937 werden 87 Werke Campendonks aus deutschen Museen und Galerien als Entartete Kunst beschlagnahmt und sechs seiner Werke werden in der gleichnamigen Ausstellung in München dem Publikum gezeigt.
Im gleichen Jahr zeigt er auf der Weltausstellung in Paris im niederländischen Pavillon das als Triptychon gestaltete Fenster Leidenswerkzeuge, das sog. Passionsfenster, in dem er mit Motiven erneut Bezug zur Penzberger Stadtgeschichte nimmt. Das Fenster ist heute in der Stadtpfarrkirche Christkönig in Penzberg als Zweitausführung zu bewundern. In Konkurrenz zu Picassos Guernica im spanischen oder Delaunays Arbeiten im französischen Pavillon erringt er mit dieser Glasarbeit einen Grand Prix – ein Umstand, der die Wertigkeit dieser Arbeit dokumentiert.
Mit dem Einmarsch der Deutschen Armee 1940 in die Niederlande ist Campendonk wiederholt Repressalien ausgesetzt. Kurz vor Kriegsende taucht er sogar aus Furcht vor Verfolgung unter.

Nach Kriegsende kann Campendonk an frühere Erfolge anknüpfen. Es folgen Ausstellungsbeteiligungen in Deutschland und in den USA. Neue Aufträge für Fenster ergeben sich, u.a. für die Neugestaltung des Nordfensters im Kölner Dom. Aus Krankheitsgründen kommt es aber nicht zur Fertigstellung. Heute schmückt ein Teilstück des Entwurfs, das Jesaiafenster, das Campendonk zusammen mit der Glasfirma Hein Derix, Kevelaer, noch zur Probe angefertigt hat, ebenfalls die Stadtpfarrkirche Christkönig in Penzberg.

Obwohl er nach dem Krieg an einer Rückkehr nach Deutschland interessiert ist, scheitert Campendonks Bemühen an bürokratischen Hürden und gesundheitlichen Problemen. 1955 werden von ihm Werke auf der documenta 1 in Kassel gezeigt. 1956 erreichen ihn Auszeichnungen der niederländischen Regierung und der Stadt Amsterdam – der Quellinus-Preis und die Ernennung zum Ritter vom Orden De Neederlandse Leeuw.
Ein Jahr später stirbt Heinrich Campendonk in Amsterdam und wird auf dem Friedhof Buitenveldert beigesetzt.

CAMPENDONK UND DIE NACHWELT – EIN BLAUER REITER KEHRT ZURÜCK
In Penzberg wurden seit 2002 mehrere repräsentative, international anerkannte Ausstellungen mit Werken von Heinrich Campendonk präsentiert und damit seine Mitgliedschaft in der Künstlergruppe Blauer Reiter und sein Bezug zur Penzberger Stadtgeschichte gewürdigt.

Der Blaue Reiter, 1952

2010 erwirbt ein kunstinteressierter Förderer 89 Werke aus dem Nachlass und stellt das Konvolut der Stadt Penzberg als Dauerleihgabe zur Verfügung. Zur Eröffnung des »Museum Penzberg – Sammlung Campendonk« erhält Penzberg weitere 200 Arbeiten aus verschiedenen Lebensphasen des Künstlers. Zusammen mit den eigenen Werken der Stadt Penzberg beherbergt das »Museum Penzberg – Sammlung Campendonk« derzeit die weltweit größte Sammlung zu Heinrich Campendonks Werk, das in wechselnden Ausstellungen gezeigt wird.
Ebenso wird zu Campendonk geforscht. Eindrucksvoll dokumentieren dies die Ergebnisse eines dreijährigen Projektes zu den farbintensiven Hinterglasbildern Heinrich Campendonks, die das Museum dauerhaft zeigen kann.

 

© Freundeskreis Heinrich Campendonk e.V.